Ostern 2021 - ein Impuls zum Aufbruch

Ein Brief von Schulleiter Thomas Kunz von der Freien Evangelischen Schule Dresden

Ihr Lieben,

viele Sprachen bezeichnen das Osterfest mit einer Ableitung vom aramäischen pas-cha, angelehnt an das hebräische Wort Pessach. Beispiel: Italienisch – Pasqua

Das neuhochdeutsche Ostern und das englische Easter haben eine andere sprachliche Wurzel. Das Wort leitet sich vom altgermanischen Ausro „Morgenröte“ ab. Easter -  Ostern, East – Osten, da denken wir an Sonnenaufgang und Morgenlicht und es werden manche Zusammenhänge deutlich. Ostern heißt im übertragenen Sinne für mich Aufbruch, dem Licht des neuen Tages entgegen gehen, den Tod zu besiegen, aus der Hoffnung über den Tod hinaus zu leben. Das ermöglicht uns die Botschaft des Neuen Testaments. Aufbruch wiederum bedeutet in diesen Tagen, sich aus der Kraft der lebensspendenden Osterbotschaft heraus aufzumachen, dem Licht der aufgehenden Sonne entgegenzugehen in der Gewissheit, Gott will, dass wir diese Welt gestalten.

Was kann das für unsere Evangelischen Schulen mitten in der Pandemie heißen?

Aus meiner Sicht bedeutet das, den Blick zu weiten über das hinaus, was uns momentan so beschäftigt und unseren Horizont so schmerzlich einengt.

So wichtig es auch sein mag, sich mit Inzidenzen zu beschäftigen, mit Schnelltests und Selbsttests, mit der Impfkampagne, mit der 3. oder 4. Welle, mit negativem Folgen für Kinder und Jugendliche, so wichtig ist es auch, zu wissen, es gibt deutlich mehr, was uns bewegen darf und vor allem, es wird ein Danach geben.

Das wissen wir nicht nur aus epidemiologischer Sicht, sondern auch, weil wir dem Licht des anbrechenden Ostersonntags entgegen gehen dürfen. Dieser Sonnenaufgang, dieses Morgenlicht hat eine derartige Kraft, dass wir seine wärmenden Strahlen, sein erhellendes Wesen durch alle Ängste und Ungewissheiten hindurch wahrnehmen können, wenn wir uns dafür öffnen auch schon hier und jetzt.

Ich erlebe, dass wir an der Krise gewachsen sind und noch weiter wachsen.

Der Wert von Schule als ein Privileg ist allen Beteiligten neu bewusst geworden. So wie nach den Phasen der Schließung haben sich Schülerinnen und Schüler, genau so wie Lehrerinnen und Lehrer schon Jahre nicht mehr auf die Schule gefreut.

1. Ich höre von Aufbruch und Umdenken nicht nur in Sachen Digitalisierung der Schulen, sondern im Blick auf Schulentwicklung allgemein.

2. Wir sind uns einig darüber, welch hohen Stellenwert die Beziehungsarbeit im Schulalltag gewinnen darf.

3. Wir haben erfahren, dass wir uns von Zwängen befreien dürfen. Die Unantastbarkeit von Lehrplänen, Stundentafeln und Schuljahresabläufen ist faktisch widerlegt.

4. Die Reduktion auf das Streben nach guten Noten hat deutlich an Attraktivität verloren. Das Spektrum ist sehr viel breiter geworden.

5. Wir wissen auch, dass Schule ein wichtiger, aber nicht in jeder Situation der beste Lernort ist.

6. Wir nehmen wahr, dass die Stärkung von Prozessen, die zu mehr Selbständigkeit beim Lernen führt, enorm wichtig ist. Das haben wir vor allem in der häuslichen Lernzeit so erfahren dürfen. Manche evangelische Schule hat sich sicher in diesem Zusammenhang in ihrer konzeptionellen Arbeit der letzten Jahre bestätigt gesehen.

7. Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen sind zu dem Schluss gekommen, dass sie ihre Rolle im Lernprozess stärker reflektieren wollen. Möglicherweise geht der Trend eher hin zum Lernbegleiter, der sich gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern auf den Weg macht. Das beginnt schon mit der Haltung der Beteiligten.

Die Reihe ließe sich sicher fortsetzen. Ich will es hier aber dabei belassen.

Bei all dem Aufgezählten dringt es für mich schon deutlich durch, das Licht des Aufbruchs, des Ostermorgens. Wir dürfen ihm entgegen gehen.

Ich glaube, wichtig ist nur, dass wir all die Dinge, die ich oben aufgezählt habe, mitnehmen und über den Ostermorgen hinaus bzw. auch nach dem Ende der Pandemie nicht vergessen oder gar wieder zum Alten zurückkehren.

Das wäre dann einfach schade. Wie ich uns Menschen kenne, stehen wir allerdings in dieser Gefahr. Wir sollten uns gegenseitig erinnern, wenn es so weit ist.

Meine Vorstellung von Schule ist, aus der Erfahrung der letzten Monate heraus, deutlich verändert worden.

Schule ist für mich ein Schutzraum für junge Menschen. Hier sollen sie vor allem folgende Erfahrungen machen dürfen:

I.     Beziehung und Zuwendung. 

II.   Wahrnehmung individueller Potentiale und deren Entwicklung.

III.  Kritik und Korrektur von Verhalten in respektvoller und zugewandter Atmosphäre.

IV.  Zugehörigkeit zu einem „Großen-Ganzen“, das verlässlich ist und     trägt (Dazu gehört auch das Recht auf spirituelle Erfahrung und auf Transzendenz).

Lassen Sie uns im Lichte des Ostermorgens aufbrechen und dazu im Gespräch bleiben!

Thomas Kunz, Schulleiter FES Dresden                                              Dresden, den 29.03.2021