Religionssoziologe Prof. Gert Pickel über eine Umfrage zu großem Potential bei 20- bis 30-Jährigen
Feierabend-Andachten, bei denen junge Berufstätige nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause anhalten und Kraft tanken, wären ein Mittel. Viele andere hat die Kirche ausgerechnet auf Druck der Corona-Krise selbst vorangetrieben. Kürzere Andachten, mehr digitale und gleichzeitig abwechslungsreiche Angebote lebten in kurzer Zeit auf. Nicht ausgeschlossen, dass auch das kleine Effekte brachte, warum junge Erwachsene sich plötzlich mehr für Glauben interessieren. Prof. Dr. Gert Pickel erklärt: „Es geht für Kirche um zeitlich begrenzte Veranstaltungen, die eine zielgerichtete Aufgabe enthalten und im Optimalfall eine soziale Bindung entstehen lassen. Projekte von Greenpeace haben das zum Beispiel gezeigt. Hier ergab sich eine große Bindekraft, erneut an Umweltaktionen teilzunehmen.“ Hervorragende Anknüpfungspunkte stellen vor allem auch evangelische Schulen dar, weil sich hier auch bei konfessionslosen Familien Interesse am Glauben durch soziale Gemeinschaft langsam entwickeln kann. Prof. Dr. Gert Pickel sagt: „Hier kommt hinzu, dass evangelische Schulen von ihrer Qualität her einen exzellenten Ruf haben. Das schafft eine besondere Ausgangssituation.“
Um das Potential auszuschöpfen, sollte Kirche aber anders handeln als bisher. „Es braucht mehr Flexibilität und Variabilität kirchlicher Angebote für junge Menschen“, betont Prof. Dr. Gert Pickel. Die INSA-Umfrage zeigt, dass sich das mehr lohnen könnte als bisher gedacht.
Von PATRICK FRANZ
Ökologische Krise, Corona und Digitalisierung – Kirche und Gesellschaft stehen mitten in den größten Veränderungsprozessen seit dem 2. Weltkrieg. Ausgerechnet in dieser Zeit hat eine repräsentative INSA-Umfrage ein erstaunliches Ergebnis hervorgebracht: Glaube an Gott und ein Weiterleben nach dem Tod sind in der Gruppe der Unter-30-Jährigen in Deutschland am weitesten verbreitet. Wir haben mit Religionssoziologe Prof. Dr. Gert Pickel von der Universität Leipzig darüber gesprochen.