Schulsozialarbeit in Sachsen stärken!

Dritter Zwischenbericht zur Schulsozialarbeit in Sachsen in Zeiten der Corona-Pandemie veröffentlicht

Ein Forschungsteam aus Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen unterschiedlicher Institutionen der Landeskirche Sachsens sowie der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit Sachsen e.V. hat die Ergebnisse einer nunmehr dritten sachsenweiten Mixed-Methods-Befragung von Schulsozialarbeiter:innen in einem Zwischenbericht veröffentlicht.

Über die Auswertung von 295 Datensätzen werden Einschätzungen, Sichtweisen und Erfahrungen von Schulsozialarbeiter:innen aus dem gesamten Freistaat Sachsen zu Veränderungen und Herausforderungen ihrer Tätigkeit sowie zu Unterstützungsbedarfen von Kindern, Jugendlichen und Eltern vor dem Übergang in den schulischen Regelbetrieb im Frühjahr 2021 dargestellt und diskutiert.

Die Fachkräfte liefern ein umfassendes zeitaktuelles Bild zum Handlungsfeld der Schulsozialarbeit in Sachsen. Dabei werden die vielfältigen Herausforderungen und Problemlagen, über die bereits innerhalb der ersten und der zweiten Erhebung berichtet wurde, in teils gestiegener Komplexität fortgeschrieben: So wird u.a. eine allgemeine Ermüdung bzw. Erschöpfung aller an Schule Beteiligten im Zuge des sozialdistanten Lernens unter Beibehaltung schulischer Leistungsanforderungen berichtet. Zudem zeigt sich, dass die Ausstattung mit Medien für die digitalgestützte Kommunikation etlicher Kinder, Jugendlicher und Fachkräften auch nach über einem Jahr der Pandemie defizitär ist. Jedoch wird ebenfalls sehr deutlich, dass Angebote der digitalgestützten Kommunikation keinen hinreichenden Ersatz für präsente niedrigschwellige pädagogische Beratungs- und Unterstützungsleistungen bieten und Kontaktverluste sowie Entfremdung befördern. Während Kinderschutz- und Einzelfallproblematiken deutlich zugenommen haben und komplexer geworden sind, sind wesentliche Aufgaben der Schulsozialarbeit – die soziale Bildung, die Gemeinwesenarbeit und die Netzwerkarbeit – nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Neben diesen sind zwei Befunde aus Sicht des Forscher:innenteams besonders problematisch: Schulsozialarbeiter:innen sind seit Beginn der Pandemie und bis in den Befragungszeitraum hinein in entscheidendem Maße damit befasst, personale, infrastrukturelle und kompetenzbezogene schulische Kernaufgaben zu übernehmen, also weniger ihren genuinen sozialpädagogischen Aufgaben nachzukommen, als schulpädagogische Defizite zu kompensieren. Diese Defizite betreffen insbesondere und besonders deutlich die Kinder und Jugendlichen, für die das Schulsystem bereits vor den pandemiebewältigenden Maßnahmen eine geringe Passung aufwies. Weniger als zuvor scheint das Schulsystem also chancengleiche Lernbedingungen schaffen zu können, ohne im Zuge von spezifischen Lern- und Leistungsnormen Benachteiligungskomplexe zu produzieren.

Die Befunde der Untersuchung sprechen nicht nur für die Notwendigkeit einer sozialpädagogischen Profilierung der Schulsozialarbeit, sondern auch (und damit verbunden) für die Reformulierung schulpädagogischer Reformanliegen mit Blick auf eine chancengleiche und subjektorientierte, also lern-, bildungs- und entwicklungsförderliche Lern- und Leistungskultur. Diese hängt bei weitem nicht nur von Haltungen und Einstellungen der Lehrpersonen ab, sondern bedarf einer bedarfsgerechten personellen und infrastrukturellen Ausstattung der Schulen. Eine „starke“ Schulsozialarbeit ist also nur dann möglich, wenn sie an „starken“ Schulen ausgeübt werden kann.

Der dritte Zwischenbericht ist die vierte Publikation des Forschungsteams und erscheint nach dem Bericht zur ersten Erhebungsphase (veröffentlicht im Juni 2020), einem an Bildungs- und Sozialpolitik adressierten Zwischenruf (veröffentlicht im November 2020) und dem Bericht zur zweiten Erhebungsphase (veröffentlicht im Februar 2021).