Gedanken zu Psalm 34 Vers 15 (Jahreslosung 2019)

Von Holger Schieck,

Schulleiter der Evangelischen Schulgemeinschaft Erzgebirge

Diesen Vers aus Psalm 34 haben wir als Jahreslosung im Jahr 2019 sicherlich oft gehört, besprochen, bedacht: „Suche Frieden und jage ihm nach.“ Schon damals vor drei Jahren waren die Zeiten nicht friedlich, war die Welt und das Miteinander auf ihr sowohl im Kleinen - im Zwischenmenschlichen - als auch im Großen - in der Weltpolitik, im Verhältnis zwischen Staaten oder besser gesagt zwischen den Mächtigen einzelner Ländern – geprägt von Unfrieden, Missgunst, Machtstreben, Neid und Konfrontation.

Schon damals war dies ein Jahrtausende alter Vers, der unsere Sehnsucht nach Frieden und unseren Auftrag, daran mitzuwirken, nicht besser hätte formulieren können.

Und nun drei Jahre später, ist er passender denn je. Nichts hat sich zum Guten gewandelt, nichts haben wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Es scheint so, dass wir keinen einzigen Schritt weiter gekommen sind hin zu einem friedlichen Miteinander, ganz im Gegenteil. Wer von uns hätte es vor drei Jahren, hätte es noch vor drei Monaten für möglich gehalten, dass wir wieder einen Krieg hier in Europa erleben, dass Menschen nur etwas mehr als 1500 km von uns entfernt sich in Kellern vor Bombenangriffen verstecken müssen, dass Menschen im Krieg umkommen, nicht nur Soldaten, sondern Kinder, Frauen, alte Menschen. Wer hätte es für möglich gehalten, dass das Zuhause, die Heimat von Millionen Menschen hier bei uns in Europa zerstört wird und ihnen nichts weiter als die Flucht bleibt. Alles müssen sie stehen und liegen lassen und sich aufmachen in eine vermeintliche Sicherheit, und dabei wissen sie nicht, was auf der Flucht auf sie wirklich zukommt, wie es danach weiter gehen soll und ob es überhaupt eine Zukunft gibt. Wer von uns hätte es für möglich gehalten, dass wir ganz persönlich in Kinderaugen schauen müssen, die Krieg und Flucht gerade erst erlebt haben und verwundet wurden, vor allem an ihren Seelen.

99 Prozent aller Menschen auf der Welt, davon bin ich fest überzeugt, wünschen sich nichts sehnlicher als Frieden. Wir bitten um Frieden, wir verhandeln um Frieden, wir beten um Frieden und doch vermissen wir den Frieden immer wieder so sehr. Wir erleben zu viel an Machtkämpfen, an Egoismus, an Nationalismus. So viele Despoten und Narzissten scheinen die Welt zu regieren.

Doch wir müssen nicht nur auf das aktuelle Weltgeschehen schauen. Wie viel Neid, Hass oder Gleichgültigkeit erleben wir auch im ganz persönlichen Miteinander? Wir sehnen uns nach Frieden und scheitern doch immer wieder daran. Anspruch und Wirklichkeit klaffen oft weit auseinander.

„Suche Frieden und jage ihm nach.“ - Das ist eine Aufforderung an uns. Der Frieden hier auf Erden wird uns nicht geschenkt, dafür müssen wir etwas tun, dafür sind wir ganz persönlich verantwortlich.

„Suche Frieden und jage ihm nach.“ - In dieser Aufforderung wird deutlich, dass dies nicht einfach werden wird. Wir müssen ihm nachjagen, wir müssen dafür aktiv werden. Und wir werden den Frieden hier auf Erden nie endgültig zu fassen bekommen. Es ist ein Dauerauftrag an uns.

Wir können diesen Friedensauftrag auch nicht auf andere Instanzen abwälzen, ihn nicht anderen überlassen und diesen Auftrag nicht nur an andere weitergeben. Das erleben wir gerade als Land, als Deutschland und das erlebt jeder von uns ständig im ganz Persönlichen. Dieser Friedensauftrag erfordert oft viel Mut, im eigenen Leben, im Weltgeschehen. Er erfordert Empathie, Mitgefühl, er erfordert, das eigene Handeln und Denken zu hinterfragen.

Dies erlebe ich gegenwärtig ganz stark im Ukrainekrieg.

Ich frage mich: Was würde ich jetzt tun als wehrpflichtiger Mann in der Ukraine? Seit meiner Jugend zutiefst pazifistisch eingestellt, und nun vor die Aufgabe gestellt, sich selbst, die eigene Familie, die Heimat, die eigenen Werte verteidigen zu müssen - was würde ich tun?

So einfach ist die Antwort nicht, oder?

„Suche Frieden und jage ihm nach.“ Diese Aufforderung richtet sich nicht nur an die Großen und Mächtigen dieser Welt, nicht nur an die, die es in den Händen halten, diesen Krieg zu beenden. Ich fürchte, diese Botschaft dringt zu diesen Leuten leider gar nicht durch.

„Suche Frieden und jage ihm nach.“ Dieser Auftrag richtet sich an uns alle.

Und ich weiß, es wird noch ausreichend Gelegenheiten für uns geben, uns an diesen Auftrag zu erinnern und ihn anzunehmen: Gelegenheiten und Anlässe in unseren Familien, in unseren Schulen, in unserer Gesellschaft. Wir stehen noch vor großen Herausforderungen. Krisen, die unser friedliches Miteinander gefährden, gibt es zuhauf, sei es das Leid der Flüchtlinge, sei es die noch nicht beendete Corona-Pandemie, seien es die Herausforderungen des Klimawandels. Und wer weiß, was noch auf uns zukommt?

Man könnte fast verzagen, pessimistisch werden, wenn man dies alles bedenkt: Wir werden es nicht in den Griff bekommen, alles geht den Bach runter. Es besteht wenig Hoffnung, dass wir das alles schaffen. Die Geschichte lässt uns da nicht besonders optimistisch in die Zukunft blicken.

Und doch! Dieser Pessimismus verbietet sich nicht nur für uns als Christen. Er verbietet sich auch für uns als Lehrer. In unseren Händen liegt es, die nächsten Generationen auf diese Herausforderungen vorzubereiten. Da trägt Schule Verantwortung. Da tragen wir als evangelische Schulen besondere Verantwortung. Wir erleben, dass viele unserer Schüler diese Herausforderungen sehen und sich ihrer annehmen. Gerade das, was wir in unseren Schulen erleben, macht mich wieder optimistisch. Mit Vehemenz widerspreche ich der landläufigen Meinung, die Jugend würde immer schlimmer, nur noch verwöhnt, zu nichts zu gebrauchen. Ich widerspreche nicht nur, weil es ja sonst ein Eingeständnis wäre, dass wir als Schule versagen würden, sondern weil wir in unseren Schulen hautnah erleben, dass dies nicht so ist. Unsere jungen Leute sind sich der Herausforderungen bewusst, verschließen davor nicht die Augen, haben den Willen sich einzubringen. Wir als Schule müssen das nur zulassen und müssen sie dabei unterstützen. In unseren Schulen gibt es zahlreiche Bespiele, die zeigen, mit welchem Engagement, mit welchem Mut und welcher Zuversicht sich unsere Schülerinnen und Schüler für unsere Welt und für ein gutes Miteinander zwischen uns Menschen einbringen. Das stimmt mich optimistisch und gibt mir Mut und Zuversicht. Lassen auch Sie sich davon anstecken!

„Suche den Frieden und jage ihm nach.“ Ich lade Sie zu einem kurzen Gebet ein:

Herr, wir alle wollen in Frieden leben,

in innerem Frieden, in Frieden in der Familie, mit Freunden,

in Frieden in unserem Land und auf unserer Welt.

Lieber Gott, du gibst uns den Auftrag, an diesem Frieden mitzuwirken

und du siehst, wo ich ganz konkret für diesen Frieden wirken kann.

Gib mir die Kraft und den Mut dafür.

Amen.

 

Bildquelle: Dieter Schütz  / pixelio.de