Gastbeitrag: Wie es gelingen kann, Veränderung im System Schule erfolgreich zu bewältigen

Martina Ramfeld, lange Jahre Schulleiterin und heute anerkannte Bildungsexpertin, weiß um die Herausforderungen, vor denen das System Schule jetzt steht. Wir haben sie um einen Gastbeitrag gebeten.

„Das nun auch noch!“ Dieser Seufzer war während der Corona-Pandemie oft zu hören. Und durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine drängen neben der Pandemie gerade die Themen Krieg und Klimaschutz in den Fokus. Eine vergleichbare Situation hat es für uns in den vergangen Jahrzehnten nicht gegeben. Und nun noch Schulentwicklung…

Ein Lockdown und die Schließung von Schulen waren für uns bis 2020 unvorstellbar. Wir mussten unverzüglich lernen, Schüler*innen in Distanz zu unterrichten – und konnten es bewältigen. In der Not hatten wir zu Beginn noch keinen Plan und keine Lösung und haben es dennoch geschafft!

Was können wir aus diesen Erfahrungen für die Veränderungsprozesse in Bezug auf unser wichtigstes Anliegen, die Unterrichtsentwicklung, in Schule lernen?

Was können wir in unserer jeweiligen Verantwortung tun, um der Schulgemeinschaft in diesen Prozessen Halt, Sicherheit und Orientierung zu geben? Wie führen wir sie aus der  Passivität ins aktive Handeln?

Eine wichtige Leitfrage für Schule ist aus meiner Sicht: Wie ermöglichen wir Lernen für jede Schülerin und jeden Schüler? Und hier darf es für jede Schule eine individuelle Antwort geben, sind doch die Schüler*innen und die Pädagog*innen jeweils einzigartig.

Um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, werden andere Kompetenzen gebraucht als bisher. Wichtig sind Menschen, die sich verständigen, vernetzen, planen, gemeinsam nach Lösungen suchen und Verantwortung übernehmen. Soziale Intelligenz ist dabei eine Kernkompetenz (wie wir in der Corona-Pandemie gesehen, erlebt und gefühlt haben), ebenso die Fähigkeit, in Teams Lösungen für Probleme zu erarbeiten. Das schaffen wir nicht mit dem Abarbeiten von Lehrplaninhalten. Begreifen wir die Schule als Ort, der den Lernenden Struktur, Verlässlichkeit, Beziehung und Lebensfähigkeit vermittelt. Hier können sie trainieren, wie sie mit anderen Menschen zukünftig zusammenleben und -arbeiten.

Wir gehen fast selbstverständlich davon aus, dass es bei den in Schule geplanten Veränderungen in erster Linie um eine Strategie, einen Plan und Maßnahmen für die Umsetzung geht. Warum stoßen wir fast immer auf Widerstand? Weil in allen Veränderungsprozessen Gefühle die Hauptrolle spielen und wir unsere Haltung, unser Verhalten ändern müssen, um die Veränderungen umzusetzen. Das ist bei jeder/jedem Einzelnen ein zäher Prozess mit Höhen und Tiefen.

Man kann sagen: Wo kein Widerstand ist, gibt es auch keine Entwicklung. Wenn wir uns die Zeit nehmen zu fragen, was genau den Widerstand auslöst, bekommen wir oft erstaunliche Antworten, die helfen Stolpersteine zu erkennen und zu beseitigen.

Was können wir in unserer jeweiligen Verantwortung tun, um es zu ermöglichen, den Schüler*innen die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln und sie zu stärken? Wie vernetzen wir uns bestmöglich?

Haben wir den Mut, diese Fragen in der Schulgemeinschaft zu diskutieren und unsere eigenen Lösungen zu erarbeiten und das auch in Online-Formaten, denn diese Erfahrungen haben wir ja jetzt!

Halten wir es aus, dass wir manchmal noch keine Lösung haben und selbst unsicher sind, was der nächste Schritt sein könnte!

Veränderung kann gelingen, wenn wir allen Beteiligten Mut machen und ihnen Orientierung geben, wenn wir Erwartungen klären und Eigenverantwortung einfordern. Dazu gehört auch, Aufgaben zu priorisieren und zu benennen, was jede/jeder einzelne tun kann, um den Veränderungsprozess voranzubringen. Und nicht zuletzt müssen wir deutlich sagen, dass es nicht mehr wie früher wird.

Veränderungsprozesse können nur gemeinsam bewältigt werden.

Zur Person:

  • ca. 20 Jahre Schulleiterin

  • 7 Jahre Erfahrung in der Berliner Schulinspektion

  • ca. 4 Jahre Leitung von proSchul (Institution zur Unterstützung von Schulentwicklung und Changeprozessen in Berliner Schulen)

  • 5 Jahre Schulreferentin in der Evangelischen Schulstiftung in  der EKBO

  • seit 2009 als Coach (dvct-zertifiziert), Trainerin, Fortbildnerin, Beraterin im Bildungsbereich tätig

  • seit 2011 darüber hinaus als Unterrichtsqualitätsmanagerin (ausgebildet am DAPF) tätig

Mehr über die Autorin erfahren Sie auf ihrer Website.